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1.000 Asylbewerber auf der Mierendorffinsel – zu welchem Preis?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Mierendorffinsel. Plan: OpenStreetMap
Mierendorffinsel. Plan: OpenStreetMap
Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf April 2024

Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die AfD-Fraktion das Thema vorgeschlagen.

CDU-Fraktion

Die Unterbringung von Geflüchteten ist eine Herausforderung für die gesamte Stadt. Für Schutzsuchende, für deren Unterbringung Verantwortung übernommen wird, muss die Politik ebenso Verantwortung in der Integrationsarbeit übernehmen. Integration kann man nicht nur als wünschenswert betrachten, sondern als elementaren Schlüssel für ein gemeinsames Miteinander. Dass in der Quedlinburger Straße sowohl ein MUF-Standort als auch ein Hotel als Aufnahmeunterkunft geballt an einem Ort sind, ist für die Integrationsarbeit eine besondere Herausforderung. Schon in der Planungsphase des MUF Standorts Quedlinburger Straße haben sich interessierte Bürgerinnen und Bürger organisiert, um die Integrationsarbeit vor Ort aktiv mitzugestalten. Gerade in Hinblick auf eine dortige interessierte Anwohnerschaft, ist es bedauerlich, dass sowohl diese als auch die Bezirkspolitik äußerst spät über die Belegung des Hotels durch das LAF informiert wurde. Integrationsarbeit ist eine Herausforderung, der wir uns stellen. Das kann die Bezirkspolitik allerdings nur leisten, wenn sie über Maßnahmen wie diese informiert wird. Die mangelnde Kommunikation kritisieren wir als CDU-Fraktion. Durch die Pandemie hat das ehrenamtliche Engagement in allen Bereichen abgenommen. Willkommensinitiativen fehlen dadurch weitestgehend. Ehrenamt braucht gutes Hauptamt. Initiativen zu unterstützen und den notwendigen Rahmen für ehrenamtliche Arbeit zu bieten ist Aufgabe der Verwaltung – das erwarten wir.

Sean Zielinski

B‘90/Grünen-Fraktion

Wie kann man für Menschen, die vor Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen oder aufgrund einer desaströsen wirtschaftlichen Situation auf der Suche nach einem besseren Leben geflüchtet sind, überhaupt einen Preis bemessen? Das Grundgesetz verpflichtet uns zur Aufnahme JEDER/*/S Geflüchteten und zu einer sorgfältigen Prüfung des Asylanspruchs. Dies sind die Errungenschaften unserer Verfassung aus den Erfahrungen, als Menschen aus Nazideutschland flüchten mussten und zum Teil keine Aufnahme fanden. Natürlich ist es wichtig, die Anwohnenden mitzunehmen und Strukturen für die neu ankommenden Menschen zu schaffen. So war das Vorgehen des Landesflüchtlingsamtes – den Bezirk vor vollendete Tatsachen zu stellen – nicht korrekt. So kann die Nachbarschaft nicht mitgenommen werden und Integration wird schwieriger. Aus anderer Perspektive ergibt sich folgendes Bild: Wir benötigen Arbeitskräfte und es kommen junge Menschen, die hier arbeiten und leben wollen. Wir sollten unser Augenmerk legen auf Sprachkurse, Integration, und Hilfe durch die Menschen, die hier leben. Wir sind eine Welt und wir sind alles Menschen, da ist kein Preis zu hoch.

Susan Drews

SPD-Fraktion

Im Frühjahr eröffnet in der Quedlinburger Straße die lange geplante Unterkunft für 570 Geflüchtete. Gebaut von der landeseigenen WBM. Das wurde gut vorbereitet: im Kiez gab es viele Informationsveranstaltungen des Bezirks. Die ehrenamtlich Engagierten vor Ort wurden aktiv mitgenommen. Im Erdgeschoss der Unterkunft wird gleichzeitig ein Begegnungscafé und eine Kita eröffnen. Vor Ort arbeitet ein dreiköpfiges, sog. BENN-Team daran, die Nachbarschaft und die Geflüchteten mit Veranstaltungen und Aktionen zusammenzubringen. Die Voraussetzungen für gelungene Integration könnten kaum besser sein. Im November wurden vom Land zusätzlich 460 Geflüchtete gegenüber in einem Hotel untergebracht. Das hat zunächst verständlicherweise Sorgen im Kiez ausgelöst. Aber: Die Menschen leben nun seit gut fünf Monaten friedlich dort. Größere Probleme sind nicht aufgetreten. Der Bezirk, die Nachbarschaft und alle Engagierten vor Ort werden dafür sorgen, dass das auch nach der Eröffnung der Unterkunft so bleibt. Bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft weniger Menschen ihre Heimat aufgrund von Krieg verlassen müssen.

Timur Saric

Linksfraktion

Gleich vorweg: Die sogenannte Alternative für Deutschland – in weiten Teilen gesichert rechtsextrem – ist nicht daran interessiert, sich um die wahren Probleme der Menschen vor Ort zu kümmern. Ihre Strategie besteht ausschließlich darin, vermeintliche Sündenböcke zu benennen und Wut auf jene zu schüren, die vor Krieg und Gewalt fliehen müssen. Auf der Mierendorffinsel fehlt seit Jahren Infrastruktur: Wohnraum, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeiteinrichtungen für Jung und Alt. Daran sind nicht Geflüchtete, sondern die Politik und ausbleibende Investitionen schuld. Statt Luxuswohnungen brauchen wir bezahlbaren Wohnraum und soziale Infrastruktur. Nur so stärken wir den sozialen Zusammenhalt. Als Linke kämpfen wir für Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Das eine ist ohne das andere nicht machbar. Wir müssen Menschen in Not unterstützen und das Recht auf Asyl schützen! Mehr Investitionen in die soziale Zukunft unserer Nachbarschaften bedeutet auch mehr Zusammenhalt und Miteinander.

Anne Zetsche

FDP-Fraktion

Bereits seit der Grundsteinlegung gibt es Auseinandersetzungen mit den Anwohnern und Anwohnerinnen und dem Senat zu den Plänen, in der Quedlinburger Straße eine Flüchtlingsunterkunft zu erbauen. Hier geht es aber vor allem darum, dass die Verdichtung der Flächen und die Gestaltung ohne die betroffenen Bürger und Bürgerinnen geplant und umgesetzt worden ist. Wir als FDP-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf plädieren bei zukünftigen Bauten für eine Mischung der Bewohner und Bewohnerinnen zu favorisieren, ähnlich wie die Gemeindebauten in Wien. Hierbei gibt es eine gute Durchmischung unterschiedlichster Menschen mit ihren Bedürfnissen. Eine Integration kann durch ehrenamtlich tätige „Communitymanager“ unterstützt werden. Nicht nur einen Kieztreff anbieten, sondern auch die verbindliche Nutzung von Deutschkursen muss dort gewährleistet werden.

Dr. Felix Recke-Friedrich

AfD-Fraktion

Berlin zahlt TÄGLICH 2.761.333,76 Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen. Allein in unserem Bezirk befinden sich zwölf Unterkünfte (nur in Pankow und Treptow-Köpenick gibt es mehr). Dennoch verhängt Bürgermeister Wegner (CDU) einen Winterabschiebestopp und verschleppt damit die Abschiebung Illegaler. Auf der Mierendorffinsel werden ab April über 1.000 Asylbewerber in dem Quedlinburger Straße 45 und im Hotel Plaza Inn untergebracht. Die DorfwerkStadt warnt vor einer „Ghettoisierung“. Anwohner befürchten eine steigende Drogenkriminalität und schwindende Sicherheit. Hier droht ein ganzer Stadtteil zu kippen. Das Bezirksamt reagiert lapidar mit einer „Informationsveranstaltung“ und stellt die Bürger vor vollendete Tatsachen. Die AfD forderte in der Februar-BVV, die Unterbringung in Hotels zu beenden und keine zusätzlichen Asylbewerber aufzunehmen – alle Fraktionen von der Linken bis zur CDU lehnten ab. Wir sind die einzige Stimme derjenigen, die nicht bereit sind, diesen Preis zu zahlen – weder in finanzieller noch gesellschaftsschädigender Hinsicht!

Martin C. T. Kohler

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