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Villa Folke Bernadotte

Einst Elektronenphysikforschung, heute Kinder- und Jugendzentrum

Erschienen in Lankwitz & Lichterfelde Ost Journal Februar/März 2024
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Eine Schönheit in gelbem Klinker: Die Villa mit großem Garten am Jungfernstieg 19 in Lichterfelde Ost wurde im Jahr 1885 nach Entwürfen von Reinhold Richard Hintz gebaut. Der Bauherr war Emil Drenker. Als Erster zog 1887 der Rentier Lüdecke in die frisch erbaute Villa. Anfangs war sie wohl nur ein Sommersitz, denn das Berliner Adressbuch verzeichnet neben dem Namen des Bewohners den Zusatz „im Winter Berlin“. Der ehemalige Apotheker konnte seinen schönen Wohnort elf Jahre lang genießen und starb 63-jährig am 22. März 1898. Der nächste Bewohner war der Fabrikbesitzer und Königliche Hoflieferant M. Otto.

Spross einer prominenten Familie

Nach mehreren weiteren Besitzwechseln diente die Villa der Forschung. Der junge Physiker Manfred von Ardenne zog ein. Er stammte aus einer Familie, die es im Kaiserreich zu einer gewissen Prominenz gebracht hatte: Sein Großvater Armand von Ardenne und Großmutter Elisabeth von Ardenne geborene von Plotho hatten für einen Skandal gesorgt und waren Vorbilder für Fontanes bekannten Roman „Effi Briest“. Manfred von Ardenne gründete in der Villa sein Forschungslaboratorium für Elektronenphysik. Bereits als Schüler interessierte sich der 1907 geborene von Ardenne für Naturwissenschaften. Obwohl er das Gymnasium noch vor dem Abitur abbrach, ermöglichten ihm familiäre Beziehungen den Zugang zur Universität. Nach einigen Semestern verließ er die Universität jedoch, um sein Laboratorium im Haus Jungfernstieg 19 zu gründen. Hier gelang ihm unter anderem die erste vollelektronische Fernsehübertragung der Welt mit Kathodenstrahlröhre. Viele bedeutende Erfindungen in der Funk- und Fernsehtechnik wurden in seinem Forschungslaboratorium gemacht. Er betrieb es bis 1945. Nach Kriegsende wurde er gemeinsam mit anderen deutschen Forschern zwangsverpflichtet, an der sowjetischen Atombombe mitzuarbeiten. 1954 kehrte er in die DDR zurück und führte ein Forschungsinstitut in Dresden. Er starb 1997 in Dresden.

Raum für Kinder und Jugendliche

Nach Kriegsende nutzten die amerikanischen Soldaten die Villa zunächst als Jazzclub. Im Jahr 1958 übergaben sie das Haus an den Bezirk Steglitz. Dieser nutzte es als Kinder- und Jugendeinrichtung und benannte es nach Graf Folke Bernadotte. Seit 2006 hat der Mittelhof e. V., der hier ein Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum eingerichtet hat, die Trägerschaft. Ob Actiontreff, Pekip, Nachbarschaftscafé, Zumba-Kids, Büchertauschbörse, Kinderfußball oder anderes – hier gibt es ein buntes Programm, das viele Interessen abdeckt. Eine Besonderheit ist das Kletterlabor, das acht unterschiedliche Kletterstrecken bis zu einer Höhe von acht Metern anbietet. Es befindet sich im ehemaligen Labor von Manfred von Ardenne. Das Kletterlabor kann gemietet werden und ist beliebt für Teamevents und Kindergeburtstage. Das gesamte Programm der Villa Folke Bernadotte finden Sie unter www.mittelhof.org/orte/villa-folke-bernadotte/

Engagement von Ardennes Nachfahren

Nachdem die Villa vor etwa zehn Jahren energetisch saniert wurde, sollte die Remise im Garten ebenfalls ganzjährig nutzbar gemacht werden. In ihr stand der erste Mercedes von Manfred von Ardenne. Leider fehlte das Geld zur Sanierung. Hanno Giese, damaliger Leiter der Villa, schrieb an die Nachfahren Ardennes und schilderte den Sachverhalt. Erfreulicherweise erklärten sie sich bereit, das Projekt mit der Summe von 15.000 Euro zu unterstützen. In dem großzügigen Garten steht ein weiteres kleines Haus, das vom Pfadfinderstamm Burgund genutzt wird.

Graf Folke Bernadotte

Als das Bezirksamt Steglitz die Villa im Jahr 1958 übernahm, benannte es das Haus nach Graf Folke Bernadotte. Folke Bernadotte Graf zu Wisborg war ein schwedischer Offizier und später Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Er verhandelte 1945 mit Himmler über die Freilassung von skandinavischen Häftlingen aus deutschen KZs. Daraufhin wurden ca. 20.000 Häftlinge, darunter 5.000 Juden, nach Schweden gebracht. Nach dem Krieg setzte er sich unter anderem für die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge ein. Er wurde 1948 als Vermittler der Vereinten Nationen von Angehörigen der zionistischen Terrorgruppe Lechi erschossen.

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