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VHS Steglitz-Zehlendorf

Broschüre „150 Jahre Erwachsenenbildung“ erschienen

Victor-Gollancz-Volkshochschule an der Goethestraße in Lichterfelde.
Victor-Gollancz-Volkshochschule an der Goethestraße in Lichterfelde.
Erschienen in Gazette Steglitz Januar 2024
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Am 6. Dezember wurde im Gutshaus Steglitz die noch druckwarme Broschüre „150 Jahre Erwachsenenbildung in Steglitz-Zehlendorf“ von Armin A. Woy vorgestellt. Vor Lehrenden und Lernenden, ehemaligen und aktuellen Leitenden der Victor-Gollancz-Volkshochschule im Bezirk wies Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski in ihrem Grußwort auf diese wichtige Institution im Bezirk hin als „demokratischen Werten verpflichtender Ort der Begegnung und des Austausches, des lebenslangen Lernens, der Neugier auf Unbekanntes, der Möglichkeit des Ausprobierens... sowie der Förderung sozialer Integration…“. Autor Armin A. Woy, studierter Soziologe, Psychologe, sowie Kenner für Neuere Geschichte, Stadt- und Regionalplanung, ist seit vielen Jahren erfolgreich u. a. als Lehrender an Fachakademien, Bildungseinrichtungen und in der Erwachsenenbildung unterwegs und Autor etlicher Publikationen zu Berlin und Brandenburg. Für seine aktuelle Broschüre war er über ein Jahr lang auf mühseliger Quellensuche im Landesarchiv und Heimatmuseum/Verein Zehlendorf: Denn es existiert zum Thema VHS Zehlendorf nur wenig Material, und die Quellen für den Steglitzer VHS-Bereich der Jahre nach 1945 gelten als noch nicht erschlossen und sind damit unzugänglich.

Vom belehrenden Verein …

Deutschlands Erwachsenenbildung war immer eng mit dem allgemeinen geschichtlichen Prozess und der damit verbundenen politischen, sozialen und geistig-kulturellen Entwicklung verbunden. Im Bezirk fand man Anfänge der Erwachsenenbildung im Jahr 1837, in dem sich der „Verein zur belehrenden Unterhaltung“ im damals noch im Landkreis Teltow vor den Toren Berlins gelegenen Zehlendorf gegründet hatte. Jeden Montag trafen sich mit dem Ziel „der Belehrung eines Jeden“ Interessierte zu Vorträgen Ortsansässiger und zu Diskussionen. Doch immer namhaftere Referenten aus Universität und Intelligenz standen auf dem Programm des Vereins, der 1906 seinen 750. Veranstaltungsabend beging und mit dem Ersten Weltkrieg ein jähes Ende fand.

Mit der folgenden Umbruchphase wurde im Mai 1919 die Volkshochschule Steglitz vom Gemeindebildungsamt Lankwitz eröffnet, wobei es auch noch eine Volkshochschule Lichterfelde gab: Sie verstand sich als „... keine einseitige Klassenschule, weder der Rechten, der Linken, der Arbeiterschaft noch des Bürgertums“. Im Oktober 1919 dann begann die von einem Volksbildungsausschuss vorbereitete Zehlendorfer Volkshochschule ihre Arbeit. Auf dem Programm standen im Gymnasium und der Oberrealschule Vortragsreihen der Bereiche Medizin („Das Kind in den ersten Lebensjahren“), Naturwissenschaft („Die fünf Sinne“), Volkswirtschaftslehre, Philosophie („Das menschliche Erkennen strebt nach Einsicht“) sowie der Literatur, Bildenden Künste und Musik. Als eine konfessionelle evangelische Einrichtung existierte eine Volkshochschule des Südwestens in Steglitz als Erwachsenenbildungsstätte. Und lediglich von 1927 bis 1928 gab es das Jugendarbeiterheim Zehlendorf als Jugendarbeiterwohnheim nach Leipziger Vorbild.

... zur Groß-Berliner Volkshochschule

Die Weimarer Verfassung schließlich forderte für den ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden: „Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden.“ Mit Bildung von Groß-Berlin 1920 erhielt die Stadt auch eine für das ganze Stadtgebiet zuständige Volkshochschule mit 61 Dozenten, als Verein gegründet mit u. a. Gemeinde-, Partei- und Lehrkörpervertretern sowie Stadträten, überwiegend sozialdemokratisch orientiert und mit Lehrstätten in allen Bezirken. Ziel war es, die geistigen Kräfte im Volk zu wecken und zu vermehren. Während die Gemeinde Zehlendorf ihren Beitritt zu dieser Volkshochschule erklärte, lehnte der Steglitzer Gemeindevorstand ihn zuerst ab, trat aber 1921 doch bei. Die Inflation 1923 brachte die Groß-Berliner Volkshochschule, die sich überwiegend an Interessierte mit Volksschul- oder Fortbildungsschulabschluss richtete, in Not. Die Zahl der Angebote und Lehrstätten wurde stark beschnitten. Einige Bezirke aber bildeten 1913 als überbezirklichen Zusammenschluss den „Verband Volkshochschule Groß-Berlin“. 1929 konnte die Volkshochschule Groß-Berlin wieder ihre Lehrstätten übernehmen und ihr Programm erweitern, die Gebiete Sprachwissenschaften, Theologie und Pädagogik kamen hinzu und waren – wie auch Studienfahrten und Wanderungen – bald sehr nachgefragt. Die Zahl der Lehrenden und – überwiegend arbeitslosen – Teilnehmenden stieg kontinuierlich. War anfangs die Bildung des Einzelnen im Rahmen der Gesellschaft das eigentliche Ziel gewesen, stand nun die Einrichtung Volkshochschule als Erwachsenenschule im allgemeinen Bildungssystem im Fokus, – zur Erweiterung der Allgemeinbildung. 1923 gab es folgende Orte in Steglitz, die als Arbeitsstätte dienten: das Rathaus, das Steglitzer Gymnasium Heesestraße, das Botanische Museum und das Lilienthal Gymnasium (früher Oberrealschule). Gelehrt wurde dort u. a. gutes Deutsch, höhere Rechnungsarten, neueste Weltgeschichte, Meister des Klaviers und praktische Nahrungsmittellehre.

Dunkle Zeiten und Neuanfang

In Zeiten des Nationalsozialismus verlor die Erwachsenenbildung an Stellenwert, an ihre Stelle traten 1934 das Reichsschulungsamt der NSDAP und die Deutsche Arbeitsfront mit dem Ziel, das Führerprinzip einzuführen und die Überwachung durch die Partei zu gewährleisten. Volkshochschulen wurden zu sogenannten Volksbildungsstätten der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ und zum Instrument der Kriegsführung umfunktioniert.

Im Bezirk wurden am Gymnasium Steglitz und an der Handelsschule in der Steglitzer Florastraße Kurse wie „Dichter deutscher Seele“ oder „Die Philosophie als das wahre Leben“ angeboten. Oberstes Ziel: Die Hörer „zu verantwortungsfreudigen Mitarbeitern in der nationalsozialistischen Gesellschaft zu erziehen“. Viele Volkshochschulen lösten sich auf, doch es gab auch verzweifelte Versuche, sie zu retten. Die ursprünglichen Ziele der in der Weimarer Republik gegründeten Institution aber gingen verloren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die Alliierten zuerst organisierte Bildungstätigkeiten.

Unter Kontrollratsdirektive sollte Deutschland aber in die Kulturgemeinschaft zivilisierter Völker zurückgeführt werden, wozu die Erwachsenenbildung als „lebensnotwendiger Bestandteil einer modernen Demokratie“ verstanden wurde. Dabei kam den in dezentralem System in jedem Bezirk ansässigen Volkshochschulen nun eine besondere Rolle zu als Vermittler geistiger und kultureller Werte zur Stärkung des Denk-, Handlungs- und Urteilsvermögens. Als wichtige Lehrbereiche für die Völkerverständigung galten Sprachkurse, Geschichte, Politik und Sozialwissenschaften. – Auch in den nun in Steglitz und Zehlendorf wiedererstandenen Volkshochschulen.

Es geht bergauf

Im Dezember 1945 erschien der erste Lehrplan der Volkshochschule Zehlendorf mit 60 die Menschen bewegenden Kursthemen, davon allein 18 Sprachkurse, vor allem für Englisch und Russisch. Ein Ernährungskurs lehrte (schon damals), den kargen Speiseplan durch Wildgemüse zu erweitern, und auch das „Reisen in fremde Länder“ stand im Programm, das auf die beruflich-soziale Integration von Kriegsheimkehrern, Flüchtlingen und Frauen zugeschnitten war. Lehrorte der in vier Abteilungen gefassten Angebot waren die Schadow-Schule und der Essraum des Vermessungsamtes. Im Lehrjahr 1946 gab es an der VHS Zehlendorf 58 Dozierende und 1.237 Teilnehmer, dazu kamen 1.075 Sprachkurs-Teilnehmer. Immer wieder kam es 1947 zu ausfallenden Stunden durch Stromabschaltung, sodass ein zeitaktueller Kurs „Ist Berlin noch lebensfähig?“ hieß. Jugendliche hatten bald nun auch eigene Themen in der VHS: Sexualität und Diskussionsrunden mit amerikanischen Gästen hatten regen Zulauf. Ein erster „Runder Tisch“ veranstaltete Zehlendorfer Diskussionen über aktuelle Fragen.

In den 50ern sprachen an der VHS Zehlendorf verstärkt Persönlichkeiten wie Ernst Reuter, Otto Suhr und Joachim Tiburtius zu zeitrelevanten Themen, die immer stärker im Kurssystem ausgebaut wurden: Wohnungsbau und Zukunftsbild von Berlin spielten dabei ebenso eine Rolle wie in den 60ern die Geschichte der deutschen Widerstandsbewegung und „Die Juden im Dritten Reich“ sowie regionale Geschichte. Von 1966 bis 1979 gehörte die Musikschule zur Volkshochschule. 1976 zog die VHS in das neue Domizil in der Markgrafenstraße 3, wo auch moderne Technik mit Fernseher, Video und Fotolabor Einzug hielt. In der Programmplanung berücksichtigte die VHS ab 1979 als Zielgruppe auch das im Bezirk ansässige US-Militär. Und auch auf die Integration ausländischer Mitbürger wurde beim Angebot geachtet. Aufgrund schwieriger Finanzverhältnisse gab es nun aber nur noch kostenpflichtige Kurse. 1982 schließlich wurde der Kooperationsvertrag mit der FU Berlin geschlossen, der Zugang zu Laboratorien und Computeranlagen gewährte und damit das Kursangebot entsprechend erweiterte und zusätzliche Lernorte im Bezirk eröffnete.

VHS – Marke mit Zukunft

Die VHS Steglitz war 1980 vom Selerweg mit nicht weniger attraktivem Kursangebot ins zentral gelegene Rathaus Steglitz und in die 26. Etage des Steglitzer Kreisel gezogen.

Die durch die Bezirksfusion 2001 aus VHS Zehlendorf und VHS Steglitz entstandene bezirkliche Victor-Gollancz-VHS bewies sich in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung bald als besonderer Vorreiter: Erweiterte Lernwelten infolge der Digitalisierung zu entwickeln, wird hier seit 2016 konsequent verfolgt. Spezielle Kursangebote und Projekte sprechen Zielgruppen wie Spätaussiedler, geflüchtete Menschen oder Analphabeten auf Augenhöhe an. Ihre Rolle in der ersten Reihe der Berliner Volkshochschulen behauptet die VHS Steglitz-Zehlendorf nicht zuletzt wegen ihres erfolgreich überprüften Qualitätsmanagements. Besondere Aufmerksamkeit verdient ihr Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“, in dessen Rahmen unter dem Titel „talentCAMPus plus“ u. a. unbegleitete Minderjährige und junge erwachsene Geflüchtete außerschulische kreative Bildungsangebote erhalten haben.

Und wenn auch der Begriff Volkshochschule aus dem Jahr 1844 inzwischen etwas antiquiert klingt, hat sich „VHS“ doch zur eingängigen Marke entwickelt, die inzwischen für eine qualitativ hochwertige, zeitgemäß gemeinnützige Einrichtung der Erwachsenen- und Weiterbildung steht und Nutzer aller Altersgruppen anspricht.

So fanden laut Aussage von Michael Rauscher vom Amt für Weiterbildung und Kultur – Volkshochschule Steglitz-Zehlendorf im Frühjahrssemester und Sommerprogramm 2023 rund 1.720 Kurse mit ca. 12.700 angemeldeten Teilnehmenden und im Herbstsemester 2023 rund 1.200 Kurse mit ca. 7.480 Angemeldeten im Bezirk statt. Auch wenn die Altersangaben freiwillig sind und knapp 20 Prozent der Angemeldeten keine Altersangaben gemacht haben, weiß man, dass sich fast 60 Prozent der Angemeldeten der VHS Steglitz-Zehlendorf im Alter zwischen 25 und 65 Jahren befinden, wovon die Altersgruppe der 35-50-Jährigen mit fast 24 Prozent die größte ist.

Die neue VHS-Broschüre ist kostenlos an verschiedenen Bezirks-Servicepunkten in Steglitz-Zehlendorf erhältlich sowie an den Haupt-Lehrstätten der Victor-Gollancz-Volkshochschule Steglitz-Zehlendorf in der Goethestraße 9-11, der Markgrafenstraße 3, der Rondellstraße 5 und in der Onkel-Tom-Straße 14.
Weitere bezirkliche VHS-Informationen unter www.berlin.de/vhs/volkshochschulen/steglitz-zehlendorf/

Jacqueline Lorenz

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