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Jugendclub gekündigt, Mittelauszahlung verzögert, fehlender Dialog: Ist das die neue Jugendpolitik im Bezirk?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Jugendclub Schloss 19 in Charlottenburg. Foto: BACW/Farchmin
Jugendclub Schloss 19 in Charlottenburg. Foto: BACW/Farchmin
Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Januar 2024

Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die SPD-Fraktion das Thema vorgeschlagen.

CDU-Fraktion

Die Kommunikation im Zusammenhang mit der Kündigung des Trägers „Sozialistische Jugend Deutschlands“, der in der Liegenschaft in der Schloßstraße 19 einen Jugendclub betreibt, ist rückwirkend betrachtet als unzureichend einzustufen. Stadtrat Wagner hat dies selbst erkannt, er bereut die fehlende Kommunikation und hat daher im Jugendhilfeausschuss am 7.11.23 um Entschuldigung gebeten. Mit dem Träger SJD wurde die weitere Nutzung der Liegenschaft vereinbart. Da, wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Das Entscheidende ist jedoch, dass Fehler erkannt und korrigiert werden. Und das ist hier geschehen. Von diesem singulären Ereignis auf den allgemeinen Arbeitsstil von Stadtrat Wagner oder gar dem Jugendamt zu schließen, ist absurd. Das von Herrn Wagner geführte Jugendamt ist geprägt von hoher Fachkompetenz, Engagement und innovativen Ansätzen. Als Beispiel sei hier die Mitwirkung an der Erarbeitung des Familienfördergesetzes genannt; die in diesem Zusammenhang durchgeführten drei Projekte in Charlottenburg-Wilmersdorf wurden von der Senatsverwaltung für Jugend als richtungsweisend für ganz Berlin gewürdigt.

Konstanze Zucker

B‘90/Grünen-Fraktion

Hohe Wellen schlug die Kündigung des Jugendclubs Schloss19, ein Alleingang des Stadtrats für Jugend Detlef Wagner. Weder der Jugendhilfeausschuss wurde informiert, noch hat er mit dem Träger vorher gesprochen. Dieses Verfahren kritisieren wir ausdrücklich. Der Jugendausschuss hat nach dieser Kündigung einen Antrag, der solch ein Chaos in Zukunft vermeiden soll, beschlossen. Gute Politik muss transparent sein und die Beteiligten mitnehmen. Die Kündigung wurde zurückgenommen. Der Stadtrat hat eine bessere Kommunikation mit der Bezirksverordnetenversammlung und den Ausschüssen versprochen. Mit den Trägern der Jugendhilfe will der Stadtrat eine vertrauensvolle Zusammenarbeit finden. Schon zu Beginn der Amtszeit war es zu Verzögerungen bei der Auszahlung der Zuschüsse an die freien Träger gekommen. Hier ist der Übergang von der SPD-Stadträtin Heike Schmidt-Schmelz an Herrn Wagner von der CDU offensichtliche nicht gut gelaufen. Der Stadtrat für Jugend steht nun in der Pflicht, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und mit einem transparenten Politikstil alle Beteiligten mitzunehmen.

Sascha Taschenberger

SPD-Fraktion

In den vergangenen zwei Jahren hat das Handeln von CDU-Bezirksstadtrat Wagner in der Kinder- und Jugendpolitik für erheblichen Unmut gesorgt. Das Vertrauen zwischen Verwaltung und Jugendträgern wurde gekappt, finanzielle Zuwendungen blieben aus und es wurden sogar Drohungen laut, Jugendclubs zu schließen und Ferienprogramme einzustampfen. Früher wurde die Jugendpolitik in Charlottenburg-Wilmersdorf als vorbildlich betrachtet: Es gab einen Ausbau von Kitaplätzen, Jugendclubs, neue Angebotsformate, eine starke Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie mobile Familienberatungen. Doch seit zwei Jahren scheint es, als sei der positive Trend eher rückläufig. Die willkürliche Kündigung eines Jugendclubs durch CDU-Stadtrat Wagner erscheint da nur als Spitze des Eisbergs. Die entscheidende Frage lautet nun, wie es in den nächsten Jahren weitergehen soll. So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Dabei ist alles bereit und die notwendigen Strukturen vorhanden. Es bedarf jedoch dringend konkreter und positiver Schritte, um die Jugendpolitik wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.

Dr. Ann-Kathrin Biewener

Linksfraktion

Die politischen Signale des Jugendstadtrates Detlef Wagner (CDU) an die bezirklichen Kinder- und Jugendeinrichtungen könnten kaum fataler sein: Nach seinem Amtsantritt erhielten die Träger monatelang keine Mittel vom Bezirk. Im Herbst wurden im Haushaltsplan Gelder für die Jugendhilfe drastisch zusammengestrichen. Personal für gesetzliche Pflichtaufgaben wird auch perspektivisch kaum nachbesetzt. Alle Jugendclubs stehen laut Stadtrat wegen knapper Kassen „auf dem Prüfstand“.Die Krönung dieser fatalen Politik war die von Wagner im Oktober ausgelöste Kündigung des Nutzungsvertrags der „SJD – Die Falken“ im Schloss19 – unbegründet und untragbar. Der Stadtrat verbreitete nicht nur Fehlinformationen über Baumängel und Brandschutz, sondern verfolgte anderweitige Verwendungsmöglichkeiten für die Räume des anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe. In Zeiten des Rechtsrucks – als drohender Richtungsentscheidung für die Demokratie – und von Sparhaushalten zu Lasten von Jugendprojekten braucht es gemeinsam getragene Maßnahmen zur Jugend- und Demokratieförderung statt Willkür im Amt.

Annetta Juckel

FDP-Fraktion

Mit Befremden und Besorgnis hat die FDP-Fraktion die Jugendpolitik des Bezirks in den letzten Wochen begleitet und zu Recht immer wieder scharf kritisiert. Dass der zuständige Stadtrat und stellv. Bürgermeister Detlef Wagner (CDU) einem langjährigen Träger unter vorgeschobenen Gründen und ohne jegliche Vorwarnung kündigt, den dafür mit zuständigen Jugendhilfeausschuss bewusst übergeht, sich bis zur Rücknahme der Kündigung und auch noch danach immer wieder in Widersprüche und Ausreden verstrickt, hat das Vertrauen aller Beteiligter in die bezirkliche Jugendpolitik schwer erschüttert. Nachdem der durch die Fraktionen der SPD, Linken und FDP initiierte Abwahlantrag gegen Stadtrat Wagners zwar an der 2/3-Mehrheit scheiterte, aber auch eine deutliche Anzahl von Stimmen der schwarz-grünen Zählgemeinschaft erhielt, ist klar, dass hier ein Neuanfang mehr als geboten ist. Der auch intern stark geschwächte Stadtrat Detlef Wagner (CDU) sollte umgehend von seinem Amt zurücktreten und den Weg für einen vertrauensvollen Neuanfang freigeben.

Stefanie Beckers

AfD-Fraktion

Die SPD sorgt sich um das Wohlergehen der Jugend. Oh je. Es ist immer Vorsicht geboten, wenn Linke und Grüne die Kinder und Jugendlichen in die Arme schließen. Häufig steht Indoktrination auf dem Plan, z. B. durch Lehrer „mit Haltung“ oder gar Schlimmeres. Der Jugendstadtrat hatte den Falken die Räume in einer bezirkseigenen Immobilie gekündigt. Als AfD-Fraktion sagen wir: Gut so! Es gibt sicher geeignetere Mieter als die Sozialistische Jugend Deutschlands. Jetzt sollte der Stadtrat abgewählt werden. SPD, Linke und FDP wollten das. Klappte nicht, die BVV hat anders entschieden. Allerdings zeigte die Abstimmung: Die Zählgemeinschaft aus CDU und Grünen ist sich nicht grün, steht nicht geschlossen hinter ihrem Stadtrat. Unsere Meinung: Er verhielt sich recht ungeschickt, ließ Transparenz missen und bot tatsächlich einigen Anlass zur Kritik. Aber nicht genug für uns, um ihn abzuwählen. Übrigens hat der Stadtrat die Kündigung der Falken zurückgezogen. Bedauerlich! Aber der Mann ist von der CDU. Dort fällt man gerne um. Herr Merz macht’s immer wieder vor.

Michael Seyfert

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