Gazette Verbrauchermagazin

Kältehilfe im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Dezember 2023

Die Berliner Kältehilfe wurde vor 34 Jahren gegründet, um obdachlosen Menschen unbürokratisch eine Übernachtungsmöglichkeit während der kalten Jahreszeit anzubieten. Zahlreiche Kirchengemeinden, Verbände, Vereine und Initiativen beteiligen sich jeweils mit eigenen Angeboten an Notübernachtungen, Nachtcafés, Suppenküchen und Treffpunkten. Diese Projekte werden u. a. auch vom Senat und den Bezirksämtern unterstützt. Nachfolgend nehmen die Fraktionen und die fraktionslosen Bezirksverordneten in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf zu diesem Thema Stellung.

René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher

CDU-Fraktion

Rund 3.700 Menschen wurden im vergangenen Winter in den Notübernachtungen gezählt. Das ist aber nur ein Teil der in Obdachlosigkeit lebenden Menschen in Berlin. Um für die Bedürftigsten besonders in den Kältemonaten Hilfe anbieten zu können, ist auch unser Sozialstadtrat in Steglitz-Zehlendorf, Tim Richter, ohne Unterlass aktiv. In Steglitz-Zehlendorf öffnen die Räumlichkeiten in der Bergstraße 4 in Wannsee auch in dieser Wintersaison 2023/24 ihre Türen. Seit dem 1.10.2023 ist die Notunterkunft täglich von 19 Uhr bis 7.30 Uhr geöffnet. Bis zum 30.4.2024 werden dort Übernachtungsmöglichkeiten sowie Mahlzeiten angeboten. Durch das Engagement des Bezirks werden außerdem Hygienemöglichkeiten und eine Kleiderkammer angeboten. Auch die bedingte Unterbringung mit Haustieren ist möglich. Die im öffentlichen Raum sichtbare Obdachlosigkeit ist in Berlin ein Dauerphänomen und wird durch den Zuzug Bedürftiger auch in den nächsten Jahren leider nicht verschwinden. Hier sind andere Angebote und das kluge Zusammenwirken aller staatlichen Ebenen gefordert – sonst bleibt dem Bezirk immer nur Flickschusterei.

Ralf Fröhlich

B‘90/Grünen-Fraktion

Die Kältehilfe ist ein Angebot, das für eine der am stärksten benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft Hilfe bieten soll. Mit der akut werdenden Klimakrise wird der Schutz vor Extremwetter, Kälte wie Hitze, immer wichtiger und neben der Hilfe im Winter werden ganzjährige Angebote für Obdachlose nötig. Die aktuellen bezirklichen Angebote im Winter reichen nicht aus – mit nur einer Unterkunft in Wannsee mit inzwischen 32 Plätzen. Das Amt geht davon aus, dass es der Nachfrage damit nicht gerecht wird. In Steglitz und der Schloßstraße fehlen weiterhin Angebote. Obwohl die Finanzierung nun über den Senat erfolgt, sind die berlinweiten Kapazitäten nicht auskömmlich. Wir fordern deshalb, dass sich Stadtrat Richter (CDU) gemeinsam mit dem Senat für deren Ausbau einsetzt. Der Verweis auf Angebote in Friedenau reicht nicht, zumal auch diese überlastet sind. Neben der Unterbringung sind weitere Angebote für Obdachlose nötig. Hierzu wurden vom Senat mit dem „Netzwerk der Wärme” Mittel zur Verfügung gestellt. Dass es dem Bezirksamt nicht gelingt, freie Träger zu gewinnen, um diese vollumfänglich auszuschöpfen, ist unverständlich.

Daniel Eliasson

SPD-Fraktion

Der 1. November ist der berlinweite Start der „Kältehilfe“. Sie hat viele Akteure, die obdachlosen Menschen das Leben in der Kalten Jahreszeit erleichtern wollen, darunter Kirchengemeinden und soziale Träger – Suppenküchen, Kältebusse, Duschbusse und Nachtcafes. Wir bedanken uns bei allen beruflich und ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter*innen für ihre Arbeit, die sie täglich leisten. Viele Jahre haben wir uns mit Anträgen für eine Übernachtungseinrichtung in unserem Bezirk eingesetzt und 2019 war es dann soweit, dass der Bezirk Steglitz-Zehlendorf in Wannsee eine Einrichtung mit heute 32 Übernachtungsplätzen eröffnet hat, die bereits ab 1. Oktober geöffnet ist. Sie ist von 19.30 Uhr bis 7.30 Uhr geöffnet und es sind sogar Haustiere erlaubt. Es kann geduscht werden und es gibt ein warmes Essen und ein Frühstück. Obwohl es eine gesamtberliner Zuständigkeit gibt, ist diese Einrichtung in unserem Bezirk wichtig, da es auch bei uns viele obdachlose Menschen gibt. Wünschenswert wäre eine weitere Einrichtung mit Übernachtungsplätzen, die zentraler in Steglitz liegen sollte. Leider haben wir zurzeit keine Immobilie zur Verwirklichung unseres Wunsches zur Verfügung. Wir werden uns weiter dafür einsetzen.

Bettina Kirsch, Juliana Kölsch

FDP-Fraktion

Mit Eintritt in die kalte Jahreszeit beginnt die Kältehilfesaison und Steglitz-Zehlendorfs einzige Notunterkunft in der Bergstraße 4 in Wannsee öffnet ihre Türen für all jene, die in kalten Nächten kein Dach über dem Kopf, kein warmes Bett im eigenen Zuhause haben. Doch decken die nur 32 Übernachtungsplätze keineswegs den Bedarf. Ein weiterer Minuspunkt ist die dezentrale Lage im äußersten Südwesten des Bezirks. Aus Sicht der Freien Demokraten (FDP) braucht es insbesondere in Nähe der Schloßstraße neue Angebote für sichere Schlafplätze. Das Sozialamt muss seine Anstrengungen hierfür verstärken. Doch nicht nur die öffentliche Hand ist gefragt. Gerade eine freiheitliche Gesellschaft, die die Verantwortung des Einzelnen betont, lebt vom Engagement der Zivilgesellschaft. Hier leistet die gemeinnützige Freie Deutsche Wohlfahrt (FDW) seit über 70 Jahren neben vielen anderen Trägern Großartiges auch in unserem Bezirk: Schlafsäcke, Isomatten und warme Suppe werden jeden Herbst und Winter von Helfern verteilt. Die Weihnachtszeit sollte uns ein guter Anlass sein, dieses wertvolle Engagement zu unterstützen und selbst tätig zu werden.

Søren Grawert

AfD-Fraktion

Immer mehr Steglitzer und Zehlendorfer müssen sich überlegen, welche Räume ihrer Wohnung sie noch heizen können. Teure Mieten, eine hohe Inflation und die Energiekosten schießen wegen der völlig verkorksten grünen Energiewende durch die Decke. Rentnerinnen und Pensionäre, Alleinerziehende und Bürger mit niedrigem Gehalt sind besonders betroffen. Sie brauchen dringend, ab sofort und mindestens bis Ende März 2024, Kältehilfe vom Bezirk und vom Berliner Senat. Dafür sollte ein „Sonderfonds Kältehilfe“ eingerichtet werden. Aus diesem „Sonderfonds Kältehilfe“ erhalten dann die Bürger ganz unbürokratisch Zuschüsse, die nachweislich ihre Heizkosten nicht mehr alleine stemmen können. Wir als AfD-Fraktion wissen: Viele Menschen nehmen die Hilfe des Staats nur ungern an. Das ehrt sie. Deshalb muss die finanzielle Hilfe einfach zu beantragen und schnell zu gewähren sein. Unterstützend sind Angebote der Tafeln und Essensausgaben mit warmen Mahlzeiten dem Bedarf anzupassen. Niemand sollte sich davor scheuen, in einer Notlage Hilfe anzunehmen. Dafür sind der Staat und die Kirchen da.

Peer Döhnert

Die Linke 

„Alle Jahre wieder“ stellt sich die Frage, ob es im Bezirk ausreichend Not-Übernachtungsplätze für Menschen ohne Obdach gibt. Alle Jahre wieder zuckt der je zuständige (CDU-)Stadtrat bedauernd mit den Schultern: SZ sähe sich außerstande, mehr als 30 Plätze (von mehr als 1000 Plätzen berlinweit!) zur Verfügung zu stellen. Die Argumente? Die vom Senat zur Verfügung gestellten Mittel seien nicht ausreichend, der Bezirk habe keine weiteren Räume, der Bedarf sei hier im Randbezirk nicht gegeben und Schöneberg – mit mehr Kapazitäten – läge so nah. Die Obdachlosigkeit ist massiv angestiegen: 607.000 Menschen waren 2022 bundesweit obdachlos, davon lebten ca. 50.000 auf der Straße (BAG Wohnungslosenhilfe) – eine Verdoppelung im Vergleich zu 2021. Da braucht es nicht viel, um zu erkennen, dass es auch in unserem „beschaulichen, schönen Bezirk“ dringend eine Erweiterung der Angebote geben muss, um dieser Not zu begegnen. Der CDU-Stadtrat muss den Draht zum jetzt schwarz-roten Senat nutzen und sich für die Ärmsten der Armen in SZ einsetzen, damit die Kältehilfe in SZ – wie von der LINKEN. seit Jahren gefordert – endlich erweitert wird.

Pia Imhof-Speckmann

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