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Preußens koloniale Vergangenheit

Sonderausstellung im Schloss Charlottenburg

Allegorische Porzellanfigur um 1767. Foto: Wolfgang Pfaude / Königliche Porzellanmanufaktur Berlin
Allegorische Porzellanfigur um 1767. Foto: Wolfgang Pfaude / Königliche Porzellanmanufaktur Berlin
Erschienen in Gazette Charlottenburg Juli 2023
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Die erste Brandenburger Kolonie auf afrikanischem Boden war eher klein: 1683 wurde die Flagge mit dem brandenburgischen roten Adler im heutigen Ghana gehisst und der Grundstein für die Festung Groß Friedrichsburg gelegt. Das Territorium war etwa 100 Hektar groß und befand sich rund um die Festung. Die Kolonien in der Wilhelminischen Zeit waren, unter anderem mit Kamerun, Deutsch Südwestafrika – heute Namibia – , Deutsch Ostafrika – heute Tansania, Burundi und Ruanda, erheblich größer. 1919 endete Deutschlands Zeit als Kolonialmacht mit dem Versailler Vertrag.

Koloniale Sammlungen

Mit der Sonderausstellung „Schlösser. Preußen. Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus“, die vom 4. Juli bis 31. Oktober 2023 im Schloss Charlottenburg zu sehen ist, nimmt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die koloniale Vergangenheit ihrer Sammlungsbestände in den Blick. Anhand von Biografien und Objekten wird den Spuren dieser Geschichte nachgegangen. Die kolonialen Kontinuitäten, die vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart reichen, werden aufgezeigt und eingeordnet. Im Zentrum stehen die Strategien und Praktiken des Hofs und der Monarchie, die die bisher wenig beachtete Komplexität der kolonialen Geschichte Brandenburgs und Preußens offenbaren. Die Ausstellung wird im Rahmen des SPSG-Themenjahres „Churfürst – Kaiser – Kolonien“ gezeigt.

Perspektivwechsel

Die in den preußischen Schlössern und Gärten ausgestellten Objekte und dargestellten Menschen wurden bisher meist losgelöst von der deutschen Kolonialgeschichte präsentiert bzw. betrachtet. Dabei reicht die koloniale Geschichte Brandenburgs und Preußens bis ins 17. Jahrhundert zurück. So war die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie (BAC) aktiv am transatlantischen Versklavungshandel beteiligt. Bis ins 19. Jahrhundert wurden versklavte Menschen an den preußischen Hof gebracht. Auf Grundlage der wenigen noch vorhandenen Informationen wird an die Biografien dieser aus Afrika stammenden Menschen erinnert, die zwischen aufgezwungener Assimilation und eigenem Widerstand einen Weg zu finden versuchten.

Elfenbein und Glasperlen

Die Sammlungen des brandenburgisch-preußischen Hofes umfassten Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände aus Asien, Afrika und Südamerika, die über koloniale Verbindungen ihren Weg in die Kunstkammern fanden und das Weltbild des jeweiligen Monarchen repräsentierten. Davon zeugen zum Beispiel Möbelstücke aus Elfenbein aus dem 17. Jahrhundert oder zunächst unscheinbar wirkende Glasperlen, die für den Versklavungshandel elementar waren. Beides verweist auf die kolonialen Aktivitäten Brandenburgs auf dem Gebiet des heutigen Ghana. Außereuropäische Werke in den Sammlungen, die lange Zeit aus europäischer Perspektive einseitig interpretiert und damit ihrem ursprünglichen Nutzen entfremdet und kulturell umgedeutet wurden, werden in der Ausstellung neu eingeordnet, so beispielsweise eine sehr seltene Elfenbeindose aus Sri Lanka.

Kontrapunkt zeitgenössische Kunst

Als Kontrapunkt zu den historischen Objekten werden Interventionen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler gezeigt. So wird etwa Nando Nkrumah, ein bildender Künstler mit ghanaisch-deutschen Wurzeln, am Reiterstandbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg die Installation „This is not only hi(s)story. This is OUR STORY“ zeigen. Nando Nkrumahs Arbeit wurde im Rahmen eines offenen Kunstwettbewerbs von einer Jury ausgewählt.

Was sind koloniale Kontinuitäten?

Mit einem neuen methodischen Ansatz soll die koloniale Geschichte in den preußischen Schlössern und Gärten erforscht und vermittelt werden. Dazu gehört auch der Umgang mit Begriffen wie „koloniale Kontinuitäten“. Die Sonderausstellung stellt mit einer kleinen Bibliothek, historischen Objekten und einer medialen Collage aus Text, Bildern und Filmausschnitten grundsätzliche Begrifflichkeiten vor: Was verstehen wir unter Kolonialismus? Was bedeutet Dekolonisation oder postkolonial? Was meint Exotismus? Ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt das Projekt. Führungen, Workshops und Vorträge ermöglichen es, die Themen der Ausstellung zu vertiefen.

Schlösser. Preußen. Kolonial. Biografien und Sammlungen im Fokus wird vom 4. Juli bis 31. Oktober 2023 im Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel, Spandauer Damm 10-22 gezeigt.

Geöffnet ist täglich außer montags von 10 bis 17.30 Uhr, letzter Einlass 17 Uhr. Für beide Teile der Ausstellung sollten Sie ca. 1,5 Stunden einplanen. Die Ausstellung ist für Rollstuhlfahrer zugänglich. Weitere Informationen unter www.spsg.de/kolonial

Titelbild

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