Gazette Verbrauchermagazin

Kultursalon „Die Flaneure“!

Gelungene Hommage an die Berliner Salonkultur des 19. und 20. Jahrhunderts

Foto: Kunstsalon „Die Flaneure“ e. V.
Foto: Kunstsalon „Die Flaneure“ e. V.
Erschienen in Gazette Charlottenburg Juli 2023
Anzeige
ABE-Minuth GmbH

Soziale Netzwerke gab es bereits in frühen Jahrhunderten. Trifft man sich heute bei Twitter, Facebook und Instagram, kam man damals privat an einem bestimmten Tag, dem „Jour fixe“, im „Salon“ als gesellschaftlichem Treffpunkt zusammen.

Ein besonderes kulturelles Bonbon ist es da gerade in unserer hektischen Zeit, wenn es Menschen gibt, die sich auch heute noch die Mühe machen, ihre privaten Räume der Öffentlichkeit als „Salon“ für Kultur und niveauvollen Austausch zugänglich zu machen. Erhalten sie damit doch gleichzeitig ein wertvolles Stück Gesellschaftskultur. Eine dieser besonderen Raritäten findet sich seit zehn Jahren in einer ehemaligen noch nicht totsanierten Charlottenburger Offizierswohnung aus der Kaiserzeit an der Knesebeckstraße 89: Seit 2012 öffnet hier mehrmals im Monat Menschen- und Kulturfreundin Jutta Kümmel im Vorderhaus die Türen zu ihrem Wohnzimmer, das dann als Kultursalon „Die Flaneure“ für einen Abend zur privaten Bühne für Künstlerinnen und Künstler wird: Musik, Literatur, Vorträge, Jazz. Das Repertoire des Gebotenen ist breit, der altehrwürdige August-Förster-Flügel – liebevoll „der alte Herr“ genannt und von Klavierstimmer B.A. Bittmann bei Stimmung gehalten – längst unverzichtbares Utensil dieser bezaubernden Abende, die in der wärmeren Jahreszeit auch mal im verwunschenen Hausgarten stattfinden.

Genussvolle Flaneure im Einsatz für die Kultur

Seit 2015 ist der Kultursalon „Die Flaneure“ eingetragener Verein. Seinen Auftrag sieht er darin, sich gemeinnützig in die Tradition der Berliner Salonkultur zu stellen und sie weiterzuführen. Begründet in Berlin hatte sie Königin Sophie-Charlotte um 1700 mit einem ersten Salon im Schloss. Einflussreiche Frauen folgten ihr mit über 100 privaten Salons für musikalische Veranstaltungen und Lesungen nach, darunter Bettina von Arnim, Marie von Radziewill oder Sabine Lepsius. Stand schon damals dabei die Förderung junger Talente im Vordergrund, wollen auch die 17 Vereinsflaneure von heute mit ihrem Salon die Kunst und die Kultur sowie Künstler und ihr Werk fördern und über ehrenamtlich selbst organisierte Veranstaltungen der Öffentlichkeit vorstellen. Der Eintritt dazu ist frei, wobei um angemessene Spenden für die ohne Gage auftretenden Künstler gebeten wird. „Salonnière“ Jutta Kümmel, ebenso engagierte Gründerin des Salons wie gastfreundliche Hausherrin mit hessischen Wurzeln, ist auf kaum einem Veranstaltungsfoto vertreten und drängt sich nie in die erste Reihe, ganz nach dem Vereinsmotto: „Ein Flaneur ist ein Unsichtbarer, der alles sieht.“

Was mit einem Gutschein begann,

ist nach 10 Jahren zur lieben Tradition und zum Besuchermagnet geworden und kann auf eine beachtliche Zahl von Ü35-Stammgästen blicken.

2012 hatte Jutta Kümmel einen Gutschein für ein Hauskonzert in ihrer eigenen Wohnung in der Knesebeckstraße geschenkt bekommen. Die Umsetzung war dann so gelungen, dass Jutta und ihre Gäste sich fragten: „Warum machen wir das eigentlich nicht öfter?“ Die Idee war geboren und bald umgesetzt. Längst ziehen Hausbewohner mit, die als helfende Hände, regelmäßige Gäste, Vereinsmitglieder oder stille Zuhörer den Salon begleiten. Dabei führen etliche Kultur-Spaziergänge auch heraus aus dem Salon und zu anderen kulturell reizvollen Ecken und Gegenden Berlins. Das Picknick mit Fackellicht und sommerlichen Kulturbeiträgen im Tiergarten, nahe Rosengarten, ist zum beliebten Sommerevent geworden. Besondere Überraschungen hält der Verein für diesen Sommer anlässlich „10 Jahre Kultursalon“ bereit: Am 12. August 2023 startet das Event zum 4. Mal im Tiergarten für alle Interessierten unter dem Motto „Tiergarten bewegt“ mit Kulturstationen zum Flanieren und Genießen. Schon heute heißt es daher: Save the Date!

Trafen sich vor Corona noch bis zu 60 Personen in Juttas Wohnzimmer, hat sie diese Zahl inzwischen auf 35 – 40 reduziert. So gibt es am Veranstaltungstag meist keine freien Plätze mehr, denn die Nachfrage ist unvermindert groß. In Juttas gemütlicher Altbauküche mit den alten Fliesen, in der schon vor über 100 Jahren das „Mädchen“ die Speisen für die Herrschaft richtete, wird zur jeweiligen Veranstaltung in Eigeninitiative von Jutta ein Leckereien-Buffet arrangiert: Erfrischungen wie kleines „Jour-Gebäck“ zu reichen, gehörte schon vor 100 Jahren zum guten Ton der nach französischem Vorbild eröffneten Berliner Salons. Dieser Brauch wird von der herzlichen Salonnière unserer Tage weitergepflegt.

An den Wänden ihres Salons erzählt derzeit eine liebevoll zusammengestellte Ausstellung von den letzten 10 Jahren des Salons und lässt die über 200 bisherigen Veranstaltungen mit ihren jeweiligen Künstlern anschaulich Revue passieren.

Salondame mit Empathie, Menschenkenntnis und großem Netzwerk

Nicht von ungefähr schafft es Jutta Kümmel, Menschen über die Kultur zusammenzuführen, zum Zuhören zu bewegen und miteinander ins Gespräch zu bringen: als Publikum mit den vortragenden Künstler, untereinander oder mit dem Verein. Nach den Veranstaltungen wird da schon mal der nach draußen verbannte Wohnzimmertisch wieder reingeräumt und zur Diskussionsrunde freigegeben.

Als ausgebildete Heilpraktikerin und Mentaltrainerin mit Praxis gleich gegenüber bringt die studierte Politikwissenschaftlerin, Germanistin und Mutter dreier erwachsener Kinder viel Erfahrung und Kontakte aus Mental- und Auftrittscoachings in Kulturmanagement und Kommunalpolitik sowie ein sicheres Händchen für Menschen, ihre Stärken, Schwächen und Anliegen mit. Jungen Künstlern will sie, wie sie sagt, mit ihrem Salon auch den Weg auf die großen Bühnen ebnen, indem sie in ihrem Wohnzimmer nah dran am Publikum lernen können, Applaus zu ertragen und naiv gestellte Fragen an sie nicht als Kritik an ihrer Kunst zu verstehen. Körper und Geist bei Publikum und Künstlern ins Gleichgewicht zu bringen, dabei hilft ihr hier im Salon die Kultur, der sie in dieser ebenso entspannten wie energiereichen Atmosphäre viel Raum gibt, sich positiv zu entfalten.

Was wünscht sich Jutta Kümmel zum 10-jährigen Jubiläum und für die Zukunft des Kultursalon „Die Flaneure“? Ihre Antwort: „Es wäre schön für die Sache, wenn mehr Kunstfreunde Patenschaften für Veranstaltungen im Kultursalon übernehmen könnten und viele neue Vereinsmitglieder dazukämen.“ Und aus eigener Liebe zum Kunstlied, will sie dieses stärker bei zukünftigen Veranstaltungen vertreten und das Publikum an diese Kunstform herangeführt sehen. Reflektiert das Liedgut doch voller Leidenschaft zeitbezogene Hintergründe, Zeitgeist und versteckten Protest und regt dabei über die Salon-Hausmusik und präsentiert in privatem Raum zu lebendiger Diskussion und Auseinandersetzung an. – Wie die Lebenslieder von Klara Hornig, die sich in intimem Kreis an eine kleine Auswahl von Zuhörern richten.

Weitere Informationen, Termine und Anmeldung zum Kultursalon unter www.kultursalon-dieflaneure.de

Jacqueline Lorenz

Kultursalon „Die Flaneure“ e. V.

Knesebeckstr. 89
10623 Berlin

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2023