Gazette Verbrauchermagazin

Hochbunker Heckeshorn

Dem Verfall preisgegeben?

Erschienen in Wannsee Journal April/Mai 2024
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Bunker, Relikte aus Kriegszeiten, werden in Friedenszeiten eher als Lagerhallen und Archive genutzt oder stehen leer. Als einer der stabilsten Zeitzeugen dieser Art steht mit seiner ganz besonderen Geschichte der sechsstöckige Hochbunker Heckeshorn seit über 80 Jahren wie eine Trutzburg mit rund vier Meter dicken Stahlbeton-Wänden und -Decken auf dem ehemaligen Gelände der Lungenklinik Heckeshorn in Wannsee. Mit seiner modernen versorgungstechnischen Ausstattung ist er eines von deutschlandweit 16 geschützten Hilfs- und Notkrankenhäuser, die in Katastrophenfällen durch Terror, Giftgas oder Flugzeugabsturz als medizinisch selbstständige Versorgungsstelle ohne große Vorbereitung zum Einsatz kommen könnten. – Doch nun ist das große Schutz-Potential des Bunkers nach einem Rohrbruch im Februar 2023 stark gefährdet: Nicht zuletzt durch nur schleppend erfolgte Reinigungs- und Trocknungsarbeiten nach dem Wasserschaden setzt zunehmend Schimmel der Innenstruktur und Versorgungstechnik des Hochbaus zu. Und auch der marode Zustand des Daches verheißt ihm wenig Gutes.

Und ewig grüßt das Murmeltier...

Der Berliner Unterwelten e. V., der den Bunker seit 2005 über eine Nutzungsvereinbarung mit dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf betreut und sich intensiv für seine Funktionsfähigkeit einsetzt, fürchtet daher um dieses erhaltenswerte Relikt, dem eine durchaus sinnvolle Zukunft bevorstehen kann: So steht der Verein seit Längerem mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz in gutem Kontakt und mit der für das Gelände zuständigen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) in Übernahme-Verhandlungen um den Bunker. Doch diese will das Gelände Heckeshorn, das seit Jahren immer mehr verfällt, nur in seiner Gesamtheit verkaufen. Eine baldige Übernahme des Bunkers durch den Verein könnte wenigstens noch ihm zwischen den verfallenden Nachbargebäuden das Leben retten. Bereits vor 12 Jahren berichtete die GAZETTE über den fortschreitenden Verfall des Geländes und erhielt auf Nachfrage, was dagegen geplant sei, nur ausweichende Antworten. Und auch die aktuelle Antwort auf erneute Nachfrage der Redaktion an die BIM macht über ein Jahrzehnt später wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses Zustands. Die BIM erklärt über ihre Pressesprecherin: „Derzeit verhandeln wir mit dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf über ein Entwicklungskonzept für Heckeshorn. Solange die mögliche Nachnutzung nicht feststeht, können auch Teilflächen wie z. B. der Bunker nicht vermarktet werden.“

Von der Kommandozentrale zum Notkrankenhaus

Am Ende der Straße „Am Großen Wannsee“ führt ein Weg von der Sackgasse durch die Toreinfahrt auf das teilweise noch vom DRK-Blutspendedienst genutzte Areal. Hier tarnt sich der Hochbunker mit hohen Bäumen. Für die „Reichsluftschutzschule“, in der Luftschutzwarte für das gesamte Reichsgebiet geschult werden sollten, waren hier 1938/39 Gebäude im Siedlungscharakter errichtet worden. 1942/43 erbaute man dann innerhalb nur eines Jahres den Hochbunker als einen der größten Bunkerbauten Berlins, der dem „Stab der Luftflotte Reich“ als Befehlsstand diente und von wo aus Sirenenalarm bei Luftangriffen befohlen wurde.

Während der Blockade und bis 1967 wurde der Bunker mit zwei Sendemasten dann von der Landespostdirektion als Sendestelle für die drahtlosen Fernsprechverbindungen mit Westdeutschland genutzt. Heckeshorn und dem Krankenhaus Wannsee kam dies zugute, waren sie dadurch doch vor den regelmäßigen Stromsperren geschützt. Auch eine Sendestation des DIAS als Vorläufer des RIAS beherbergte der Bunker eine Zeit lang.

Nachdem aber der Fernsehturm auf dem Schäferberg 1967 in Betrieb genommen war, verlor der Hochbau seine funkstrategische Bedeutung. Von nun an kam ihm eine eher düstere Aufgabe zu: Der in der ehemaligen Luftschutzschule untergebrachte Lungenfachklinik diente er in den unteren Etagen als Pathologie und Leichenhalle. – Noch heute im Durchgang zum Bunkereingang sichtbar ist die Blutrinne, die unter dem dort installierten Sektionstisch verlief. Ab 1985 dann wurde der Bunker zum „Notkrankenhaus“ umgebaut, war aber erst ab 1993 nutzbar – und galt aufgrund des als beendet geltenden Kalten Kriegs inzwischen als unnötig.

Die noch ungenutzte neue Einrichtung des OP-Traktes, der Röntgenabteilung und Bettenräume erhielten ab 2001 die Länder des ehemaligen Ostblocks als Geschenk. Das große Vordach zum Bunker baute der DRK-Blutspendedienst als Schutz für seine dort abgestellten Fahrzeuge. Wichtige, bis heute unverzichtbare Grundvoraussetzungen für eine schnelle „Wiederbelebung“ des allein mit vier Operationssälen ausgestatteten Notkrankenhauses verblieben jedoch im Bunker: Dazu gehören die zeitgemäße Versorgungstechnik mit Notstromaggregaten, vier Lüftungs- und Luftwaschanlagen für die sterilen Bereiche, die Brunnenwasserversorgung, Aufzug und Großküche. Ein Teil des Untergeschosses besitzt für den Ernstfall die Möglichkeit einer strahlensicheren Lagerung von Krankenhausabfällen „aller Art“.

In dem 20 Meter hohen und ebenso breiten sowie 70 Meter langen Bauwerk könnte innerhalb von 48 Stunden ein komplettes Krankenhaus für 700 Menschen in Vollbetrieb genommen werden, – wenn alle Anlagen intakt sind.

Bevölkerungsschutz schimmelt weg

„Doch nach dem Wasserschaden im Februar 2023 ist noch ungewiss, welche Schäden an der Versorgungstechnik wirklich entstanden sind“, erklärt Reiner Janick, Vorstands- und Gründungsmitglied und „Kind der ersten Stunde“ vom Verein Berliner Unterwelten, der den Bunker wie seine Hosentasche kennt und zahlreiche Führungen durch den Koloss begleitet hat. Aufgrund der inzwischen eingesetzten Schimmelbildung sei Handwerkern laut Arbeitsschutz längerer Aufenthalt in den Bunkerräumen nicht erlaubt. „Es hätte viel schneller etwas geschehen müssen, die Feuchtigkeit setzt dem Bau und den Anlagen zu, der Verfall ist vorprogrammiert“, fürchtet Janick und zeigt erste Roststellen an der Versorgungstechnik. Das schadhafte Stück am Wasserzulauf hätte längst ausgetauscht werden müssen, um einen geregelten Wasserumlauf wieder in Gang bringen zu können. Nun steht das Wasser in den Rohrsystemen, modert vor sich hin und greift das Material an. Reiner Janick ist sich sicher, dass der Verein Berliner Unterwelten als Bunkerbesitzer den Verfall längst hätte stoppen können – was schwerfällige Bürokratie derzeit zu verhindern weiß.

Verein Berliner Unterwelten – im Einsatz für Geschichte und Denkmalschutz

Der gemeinnützige Verein Berliner Unterwelten ist mit über 500 Mitgliedern mit ihren Talenten und Fähigkeiten aus verschiedenen Fachbereichen, Lebensbereichen und Berufsgruppen – vom Rechtsanwalt über Architekten bis Bauingenieur – sehr gut und vielschichtig aufgestellt. Janick selbst ist gelernter Isoliermonteur und Blechschlosser, arbeitete längere Zeit in der Krankenhausentsorgung und lernte so auf seiner Tour auch den Pathologie-Bereich im Bunker kennen. Kommunikativ wie er ist, lernte er schnell Leute vom Verein kennen, von denen heute noch vier Gründungsmitglieder aktiv sind. Erst arbeitet er ehrenamtlich im Verein, wurde dann einer der ersten Angestellten des Berliner Unterwelten e. V., der die geschichtlichen Zusammenhänge des Berliner Untergrundes erforscht und dokumentiert. Die vom Verein angebotenen Führungen, Ausstellungen, Seminare und verfassten Publikationen sowie stadtweit zu einzelnen Projekten 16 erstellten Info-Tafeln stoßen weit über Berlin hinaus auf große Resonanz und Anerkennung.

Für seine Verdienste im Denkmalschutz wurde der Verein mit der „Silbernen Halbkugel“ ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich.

Weitere Informationen zum Verein, seinen Projekten und seinem Angebot unter www.berliner-unterwelten.de

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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