Gazette Verbrauchermagazin

Gesundheitstalk gestartet

Forschung verständlich vermittelt

Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Dezember/Januar 2023

Das Tiermedizinische Zentrum für Resistenzforschung (TZR) der FU-Berlin gibt es in Düppel seit April 2022. Nun hat es ein neues Bildungsformat – den Düppeler Gesundheitstalk – vorgestellt, in dem zukünftig über eine Vortragsreihe auch weniger wissenschaftlich und medizinisch vorgebildete Interessierte spannende Impulse zu Themen erhalten, die relevant für Veterinärmedizin UND Humanmedizin sind. Forschung zur Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt wird dabei im Mittelpunkt stehen.

Im 1. Düppeler Gesundheitstalk Ende Oktober, an dem ohne Voranmeldung Bürger und Nachbarn im Hörsaal der Pferdeklinik am Oertzenweg teilnehmen konnten, ging es um das Thema der Antibiotikaresistenz.

Weniger ist mehr

Nach der Begrüßung der Gäste – darunter etliche Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende – durch Forschungsdekan Prof. Dr. Marcus Fulde vom Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen am Fachbereich Veterinärmedizin stellte Dr. Kristina Dietert, PhD, das neue Forschungszentrum TZR vor, das in Düppel wegen seiner prädestinierten Lage zwischen Instituten für Parasitologie, Mikrobiologie und Pathologie und in direkter Nachbarschaft zu den Veterinärmedizinischen Fachkliniken ohne lange Wege beste Voraussetzungen für interdisziplinär angelegte Forschung findet.

In medias res ging es dann mit Prof. Dr. Stefan Schwarz. Der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Tierseuchen schilderte in seinem Vortrag „Antibiotikaresistenz – ein Problem für Menschen, Tiere und die Umwelt“ aus seinem Forschungsfeld medizinische Grundlagen, Aspekte, Erkenntnisse und Aussichten:

Dass Antibiotika in Veterinär- und Humanmedizin ein unverzichtbares Mittel zur Bekämpfung lebensbedrohlicher bakterieller Infektionen sind, weiß inzwischen wohl jeder von uns. – Und dass sie in der Vergangenheit auch unbedacht und übertrieben eingesetzt wurden. So stehen längst für viele Infektionserreger keine wirksamen Antibiotika mehr zur Verfügung, nehmen weltweit Infektionen mit resistenten Bakterien zu. Bei der Problemlösung müssen Mensch, Tier und Umwelt einbezogen werden, können zwischen ihnen doch über diverse Kontaktmöglichkeiten resistente Bakterien und Resistenzgene ausgetauscht werden. – An erster Stelle muss also in Human- und Veterinärmedizin sowie in der Landwirtschaft konsequentes Handeln stehen, um die weitere Ausbreitung resistenter Keime zu verhindern.

Lebensgefährlicher Selbstschutz

Dass Bakterien in ihrem Bestreben zu überleben Resistenzen (Unempfindlichkeiten) entwickeln, liegt in ihrer Natur und ist bereits um 1928 mit Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming bekannt geworden. Man nimmt an, dass die Antibiotikaresistenz sogar älter als unsere Zivilisation ist. Mit der Fähigkeit, sich schnell an sich ändernde Umweltbedingungen anzupassen, besitzen Bakterien auch hohe Mutations- und Vermehrungsfähigkeit. Sie haben vielfältige Mittel und Wege entwickelt, um sich gegen Antibiotika zu schützen. Kommen sie mit antibiotischen Wirkstoffen in Berührung, schaffen zelleigene Resistenzgene Selektionsvorteile: Sogenannte Plasmide, die Bakterien als mobile Genbestandteile untereinander austauschen können, geben diese Vorteile von einer Bakterie zur nächsten weiter, egal ob sie zur eigenen Art oder zu einer anderen gehört. Infektionen mit resistenten Keimen können so länger dauern oder schwerer verlaufen. Der Einsatz von Antibiotika begünstigt die Resistenzentwicklung und Ausbreitung von Bakterien mit Resistenzen.

Tiere wie auch Menschen können resistente Bakterien tragen und übertragen. In der Haus- und Heimtierhaltung stellt der enge und direkte Kontakt zum Menschen den Hauptweg für den wechselseitigen Austausch von (resistenten) Bakterien dar. Im Nutztierbereich sind besonders Berufsgruppen wie Tierärzte, Viehmäster, Schlachthofmitarbeiter etc. gefährdet, nicht zuletzt an Orten hoher Tierdichte.

Bakteriophagen statt Antibiotika?

Der gezielte und verantwortungsvolle Einsatz von Antibiotika, die in über 10 Klassen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen vorkommen, ist da zur Problembegrenzung unumgänglich. Doch seit über zwei Jahrzehnten wurden keine neuen antibiotischen Wirkstoffe auf den Markt gebracht, da sie für die Pharmaindustrie wenig Gewinn versprachen. Um eine Zunahme von Resistenzen zu verhindern, sollte der Antibiotikaeinsatz auf das unbedingt therapeutisch notwendige Maß begrenzt werden. Anstrengungen, die Tiere gesund zu erhalten, damit keine Behandlung erforderlich ist, sollten im Vordergrund stehen. Da Antibiotika im Einsatz relativ preiswert sind, wurden sie in vergangenen Jahrzehnten in Tierzucht und sogar zum Pflanzenschutz relativ unbedacht eingesetzt. Doch inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt: Die Veterinärmedizin hat Leitlinien zum sorgfältigen Umgang mit Antibiotika entwickelt, und Leistungsförderung ist seit 2006 EU-weit in der Tierproduktion verboten. Erste positive Ergebnisse gibt es: So hat sich die Antibiotika-Abgabenmenge in der Veterinärmedizin im Zeitraum zwischen 2011 und 2022 um mehr als zwei Drittel verringert. Die Forschung nach neuen Substanzen für neue, noch nicht resistente Antibiotika intensiviert sich inzwischen, doch bis diese zum Einsatz kommen, kann es noch dauern. Hoffnung setzt die moderne Forschung da auf Bakteriophagen (Bakterienfresser), deren Wirkung einfach zu erklären ist: Der Phage – ein Virus – heftet sich an die Bakterienzelle und schleust seine eigenen Erbinformationen in sie hinein. Damit hat er die Kontrolle über die Bakterie. Die produziert so neue Phagen bis sie platzt und dadurch einen Schwall Phagen-Nachwuchs freisetzt. Jeder dieser Phagen kann wieder eine weitere Bakterienzelle angreifen. Eine Kettenreaktion, solange Bakterien vorhanden sind. Die Bakterien gehen dadurch zugrunde und werden vom menschlichen Organismus abgebaut. Derzeitige Richtlinien und Verordnungen behindern aber noch eine Nutzung von Phagen in der EU und in Deutschland.

Resistenzen gehen alle an

Und was können wir Tierfreunde nun selbst tun, um Resistenzen nicht weiterzuverbreiten? Zu enges Kuscheln mit unserem Haustier zu vermeiden, es nicht auf unsere Ebene (wie beispielsweise ins Bett) zu holen, ist da erstes Gebot. Und da im Rahmen der Lebensmittelgewinnung resistente Keime aus der Tierproduktion auch auf Lebensmittel wie Fleisch übertragen werden können, ist die Einhaltung täglicher Küchenhygiene besonders wichtig. Wird Fleisch bei 70 °C für zwei Minuten erhitzt, sterben die Keime. Schneidebretter und Messer sollten nach Gebrauch sofort gründlich gereinigt werden, damit keine anderen Lebensmittel mit den Bakterien in Berührung kommen. Küchentücher häufig wechseln. Achtsamkeit ist auch auf Reisen geboten, sind neue Resistenzgene nicht selten u. a. aus Asien eingeführt worden.

Prof. Stefan Schwarz, selbst Tierhalter, gab, damit kein falscher Eindruck besteht, am Ende seines Vortrages zu bedenken: „Tiere sind an der Ausbreitung resistenter Bakterien beteiligt, aber Tiere stellen diesbezüglich sicherlich NICHT den Quell allen Übels dar.“

Beim anschließenden Get-together stellten die Initiatoren der neuen Vortragsreihe weitere Gesundheitstalks für das kommende Jahr in Aussicht. Themen und Zeitpunkt werden rechtzeitig bekannt gegeben.

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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